Seekajakfahren ist stark vom Wetter abhängig. Eine Tour kann gemütlich sein oder sich als ein wilder Kampf gegen die Wellen gestalten. Dazu kommen die Gezeiten, die Schifffahrtswege und vieles andere. Die Ostsee ist auf den ersten Blick ideal für das Küstenwandern auf dem Wasser. Denn es gibt wenig, was sich dort den Seekajakfahrern in den Weg stellt. Dazu entfallen die Gezeiten. Trotzdem: Vergessen Sie nicht, dass die Ostsee zu den anspruchsvollsten Meeren der Welt gehört. Die Nordsee stellt mit Ebbe und Flut oder dem Wattenmeer noch einmal ganz andere Anforderungen an das Wissen und die Fähigkeiten von Kajakfahrern. Dafür erleben sie hier unvergessliche Touren wie das „Inselhopping“ zwischen den friesischen Inseln.

Foto: Gabriele Koch
Foto: Gabriele Koch

Ob Ost- oder Nordsee: Es zählt die gründliche Vorbereitung und intakte Ausrüstung

Dabei helfen eine detaillierte Checkliste und die Beachtung grundsätzlicher Vorsichtsmaßnahmen auf dem Meer. Neben der Wettervorhersage zum geplanten Revier brauchen Sie weitere wichtige Daten:
 

Gezeitenkalender des BSH

Strömungskalender des BSH
 

Beim Kajakfahren auf dem Meer sollten Sie zu ihrer eigenen Sicherheit nie alleine unterwegs sein. Warum, das lesen Sie in unserem Einsatzbericht über einen stark unterkühlten Seekajakfahrer. Und: Andere Boote oder Schiffe übersehen eine Gruppe auf dem Wasser nicht so schnell.

Foto: Steven Keller

Unfallgefahr für Seekajaks: „Wenn dein Kopf im dunklen Wasser hängt …“

Ralf Brinker, Vormann auf dem Seenotrettungskreuzer HAMBURG, hat selbst einige Erfahrung als Seekajakfahrer, nicht beruflich, sondern als Wassersportler. Auf die Frage, was die gefährlichsten Fehler auf dem Wasser sind, hat er eine kurze, trockene Antwort: „Erstens: sich selbst zu überschätzen. Und zweitens: das Meer zu unterschätzen.“ Der Weg zum Seekajak war für Brinker nicht geradlinig. „Meine Eltern haben mich zwar schon im Kinderwagen ins Boot gesetzt, aber das Wasserwandern und ich sind später trotz eines eigenen Kajaks keine Freunde geworden“, erzählt er. „Sehr schnelle Motorboote, das war für mich als Erwachsener schon eher meine Sache“, sagt er schmunzelnd.

Der Weg zum Wasserwandern mit dem Kajak

Bis eines Tages sein Sohn vom Opa zum Kajakfahren überredet wurde. Der Großvater hatte dann aber nicht so viel Zeit, wie nötig gewesen wäre. So machte sich Ralf Brinker mit seinem Sohn zum Wasserwandern auf. „Plötzlich“, lacht Brinker, „sahen Wasser und Ufer beim langsamen Wasserwandern ganz anders aus. Dazu konnten wir uns beim Paddeln in Ruhe unterhalten.“ Kurz, die gemeinsame Liebe zum Wasserwandern und Kajak war geboren. Darunter hat die Vernunft nicht gelitten: „Wir haben auch eine Tour in Dänemark mittendrin abgebrochen, weil der Wind zu stark war und Gewitter drohte. Dann muss man eben einfach aufhören, auch wenn das enttäuschend ist.“

Auf Nord- und Ostsee die eigenen Fähigkeiten richtig einschätzen

Die Kajak-Reviere von Brinker senior und Brinker junior waren vor allem die Ostsee, die Küsten von Dänemark, aber auch Norwegens Fjorde. Die Nordsee nicht? „Nein“, sagt Ralf Brinker, „vor der habe ich zu viel Respekt und das hat auch mit meiner Arbeit als Vormann bei den Seenotrettern zu tun.“ Die Gründe sind vielfältig: Tide und Wetter sind dabei die wichtigsten. Dabei sagt er, brauche man seine Berufserfahrung gar nicht: „Ich kann nur jedem empfehlen, sich mal mit seinem Kajak in ein strömendes Binnengewässer zu setzen, gegen die Strömung zu paddeln und zu messen, wie weit man da kommt. Das Ergebnis ist bei den meisten ernüchternd.“ Selbstverständlich gibt es auch die anderen, die 80 Kilometer am Stück auf dem Meer paddeln können: „Das Seekajak ist, wenn man es wirklich beherrscht, ein richtig gutes Seeschiff. Ich beherrsche es allerdings nicht in der Form und darum meide ich auch die offene Nordsee.“

Das Seenotrettungsboot HELLMUT MANTHEY/Station Maasholm am 20. Juli 2021 im Einsatz für gekenterte Seekajakfahrer.

Sicherheitstipp vom Seenotretter

„Den habe ich mal von einem sehr erfahrenen Seekajakfahrer bekommen. Er hat am Beginn jeder Tour eine Eskimorolle im noch ruhigen Wasser gemacht, weil das eine Bewegung ist, die intuitiv kommen muss. Wenn dein Kopf im dunklen Wasser hängt, dann ist keine Zeit, darüber nachzudenken, welche Bewegung man jetzt machen muss.“

Ralf Brinker

Ralf Brinker ist Kapitän und erster Vormann der Seenotretter auf Borkum. Der vierfache Familienvater lebt in Moormerland. Der 56-Jährige ist seit über einem Vierteljahrhundert bei den Seenotrettern.

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Foto: Thomas Steuer

Aus den Erfahrungen anderer lernen: Unfall mit dem Seekajak

Erlebnis oder Erholung? Das Seekajakfahren an Deutschlands Küsten erlaubt beides. Allerdings kann die „Erholungstour“ ganz schnell zur ungewollten „Erlebnistour“ werden, wenn das Wetter umschlägt oder der Seegang zunimmt. Das gefahrlose Seekajakfahren setzt sehr viel Wissen, Kraft und ein intensives Training zum Beispiel der Selbstrettungstechniken wie des „Stützens“ und der Wiedereinstiegstechniken voraus. Auch weil sich nicht immer alle Kajakfahrer daran halten, sind Meldungen wie diese zu lesen:

Einsatz

Im Juli 2018 haben die Seenotretter in der pommerschen Bucht einen vermissten Kajakfahrer aus Seenot befreit.

Beispiel-Einsatz: Kajakfahrer an Rügens Nordküste aus Gefahr befreit

Zwei Kajakfahrer sind an einem Sonntagnachmittag an Rügens Nordküste bei starken nordwestlichen Winden in Gefahr geraten. Das glückliche Ende ihrer Tour verdanken sie der reibungslosen Zusammenarbeit der Seenotretter mit einem Forschungs- und einem Bundespolizeischiff. Zwei DGzRS-Rettungseinheiten waren gemeinsam mit den Behördenfahrzeugen im Einsatz. Gegen 14.45 Uhr erfuhren die Seenotretter, dass vor Lohme ein Kajak gekentert und der Fahrer außenbords gefallen war. Bei bis zu anderthalb Metern Seegang gelangte er nicht mehr in sein offenes Boot zurück. Seine Begleiterin, die mit einem eigenen, zweiten Kajak unterwegs war, hatte über Handy den Notruf gewählt. Gemeinsam waren die beiden in Vitt (Halbinsel Wittow) gestartet und wollten durch die Bucht Tromper Wiek nach Lohme (Halbinsel Jasmund).

Die SEENOTLEITUNG BREMEN der DGzRS alarmierte die Freiwilligen-Besatzung des Seenotrettungsbootes KURT HOFFMANN aus Glowe und den seinerzeit in Sassnitz stationierten Seenotrettungskreuzer HANNES GLOGNER. Außerdem informierten die Seenotretter über Seefunk die gesamte Schifffahrt im Revier. Als erstes Fahrzeug erreichte das Forschungsschiff „Elisabeth Mann Borgese“ den Unfallort. Der über Bord gegangene Kajakfahrer hatte sich unterdessen schwimmend an den Strand nordöstlich von Lohme retten können. Mit einem Schlauchboot gingen Besatzungsmitglieder des Forschungsschiffes an der flachen Küste auf Standby, bis nur wenige Minuten später die KURT HOFFMANN eintraf.

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Die freiwilligen Seenotretter nahmen die unterkühlte und unter Schock stehende Kajakfahrerin an Bord. Die Besatzung der HANNES GLOGNER kümmerte sich um die beiden Kajaks. Ein medizinisch besonders ausgebildeter Rettungsmann versorgte die Frau auf der KURT HOFFMANN.

Gecheckt: Sicherheit mit dem Seekajak

Zwei Dinge sind notwendig, um auf dem Wasser so weit wie möglich auf „Nummer sicher“ zu gehen:

  1. die richtige Sicherheitsausrüstung 
  2. die richtigen Verhaltensweisen
Foto: Nikolaus-Dieter Koch

Checkliste für Seekajaks

  • Vorbereitung auf Fahrtrevier. Relevante Informationen zusammentragen: Wettervorhersage, Gezeitenstrom, -richtung und -stärke, erwartete Wellenhöhe, Wassertemperatur, Einrichtungen unterwegs etc., überprüfen relevanter lokaler Websites
  • Ermitteln, ob im Revier Kommunikationsmöglichkeiten gegeben sind (UKW und Mobilnetzabdeckung)
  • Mitnahme eines wasserfest verpackten Mobiltelefons und/oder UKW-Handfunkgerätes (in Deutschland gekoppelt an die Anmeldung einer fest eingebauten Seefunkstelle)
  • Notsender (Personal Locator Beacon)
  • Umfassenden Fahrplan erstellen und Schwierigkeitsgrad ermitteln
  • Gesamtfahrdauer einschließlich Häfen/Stopps, Pausen und Etappen berechnen
  • Alternativrouten, Häfen, Anlandeplätze bestimmen
  • Festlegen der für die Fahrt erforderlichen Fähigkeiten für alle Teilnehmenden
  • Fahrtrisiko für Teilnehmer und Teilnehmerinnen bewerten und erforderliche/verfügbare Ausrüstung überprüfen
  • Notwendigkeit für gemeinsame lebensrettende Ausrüstung ermitteln
  • Teilnehmer und Teilnehmerinnen über Ausflugsplan und Alternativplan informieren
  • Gegebenenfalls Erfahrung und Fitness aller Teilnehmenden überprüfen
  • Ausrüstung für jeden Teilnehmenden überprüfen
  • Sich auf Kommunikationskanäle, Telefonnummern und Kommunikationszeiten einigen
  • Aktualisierungszeiten der Wettervorhersage planen (UKW, Mobiltelefon)
  • Notfallkontakte direkt oder über die App SafeTrx Routenplan informieren
  • Ggf. verantwortliche Verkehrszentrale informieren
  • Tracking-Funktion der App SafeTrx mit oder ohne Routenplan aktivieren und für die Gruppe einen Gruppencode erstellen
  • Feste Rettungsweste mit Notlicht tragen
  • Spritzdecke
  • Helm
  • Bilgenpumpe
  • Trinkwasser und Essen
  • Warmes Trinkwasser
  • Sonnenschutz (Kappe, Hut, Sonnencreme)
  • Angemessene Kleidung
  • Ersatzkleidung, wasserdicht verpackt
  • Windschutzkleidung während Pausen gegen Auskühlung
  • Kanuwagen
  • Pfeife
  • Ersatzpaddel
  • Kommunikationsgeräte (Hand-UKW-Funkgerät, Smartphone, Ersatztelefon, Batterien und/oder Powerbank)
  • Wasserdichte Gehäuse für Telefone
  • GPS-Tracker oder Plotter
  • Karte(n)
  • Kompass
  • Abschleppleine und Messer
  • Erste-Hilfe-Kit
  • Reparatur-Kit
  • Orangefarbene Überlebenstasche
  • Notsignale, Pyrotechnik und/oder Laserlicht
  • Personennotsender (Personal Locator Beacon, PLB. Code in SafeTrx eintragen.)
  • Ggf. in Verkehrszentrale abmelden
  • SafeTrx Routenplan beenden, falls aktiviert
  • Notfallkontakte informieren oder SafeTrx benutzen
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